Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener e.V. |
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29.10.2003
An die
BAGH
z.Hd. Dr. Danner
Kirchfeldstr. 149
40215 Düsseldorf
Betr.: Stellungnahme zum "Entwurf für eine gemeinsame Empfehlung
zur Förderung der Selbsthilfe"
Sehr geehrter Herr Dr. Danner!
Zu dem uns übersandten Entwurf für eine "Gemeinsame Empfehlung
zur Förderung der Selbsthilfe" nehmen wir wie folgt Stellung:
Als wir auf Seite 2 des Entwurfes gelesen haben "Die Rehabilitationsträger
streben an, ihre Unterstützungsleistung barrierefrei zur Verfügung
zu stellen", waren wir voller Hoffnung. Doch der Rest der Empfehlung
läßt diese Barrierefreiheit deutlich vermissen.
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Uns ist unerklärlich, warum es nicht möglich ist, dass beispielsweise
die Krankenkassen die 0.51 Euro pro Versicherten in eine zentralverwalteten
Topf einzahlen. Auf diese Weise brauchten die örtlichen Selbsthilfegruppen,
die Selbsthilfeverbände und die Selbst-hilfekontaktstellen Ihre
Anträge nur an eine einzige Stelle richten, die die Übersicht
über alle Anträge hätte und es würden zudem Verwaltungskosten
eingespart, weil nur diese Stelle mit den Bewilligungsverfahren
beschäftigt wäre und nicht jede einzelne Kasse noch dazu auf
unterschiedlichen Ebenen.
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Warum kann nicht flächendeckend von allen Krankenkassen für
die Förderung der örtlichen Selbsthilfegruppen das bewährte
Förderschecksystem der AOK-Westfalen-Lippe eingeführt werden,
die dann bei der o. g. Zentralstelle abgerechnet werden könnten.
Gerade kleine örtliche Selbsthilfegruppen sind häufig nicht
in der Lage Jahre im Voraus Projekte und Veranstaltungsreihen
zu planen. Sie möchten sich aber schon von Zeit zu Zeit einen
Experten als Referenten einladen, einige Mitglieder zu Fortbildungsveranstaltungen
schicken oder sich auf Infobörsen für Selbsthilfegruppen präsentieren.
Das alles könnten sie mit Hilfe der Pauschalförderung über die
Förderschecks sehr gut leisten, während großartige komplizierte
Antragsverfahren für die Ehrenamtlichen aus der Selbsthilfe
oft kaum leistbar sind.
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Warum werden wieder nur Selbsthilfekontaktstellen gefördert,
die schon über hauptamt-liches Personal verfügen. Hier werden
wieder Selbsthilfeorganisationen in ihren Kreisen bestraft,
die keine vom jeweiligen Bundesland geförderte Kontaktstelle
erhalten haben und wo sich die örtlichen Selbsthilfegruppen
zusammengeschlossen haben und ehrenamtlich eine solche Kontaktstelle
vorhalten. Würde man auch diese Stellen fördern, wäre dies ein
Einstieg in die Hauptamtlichkeit. Aber hier geht es wieder nach
dem Prinzip: "Wer hat dem wird gegeben. Wer nichts hat bekommt
auch nichts."·
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Warum werden an Stelle o.g. einfacher Lösungen wieder Wasserköpfe
von Arbeitskreisen und Clearingstellen aufgebaut, in denen Hauptamtliche
der Träger viel Zeit verbringen und so einen nicht geringen
Teil der Gelder verbrauchen werden, die eigentlich für die Förderung
der ehrenamtlichen Selbsthilfearbeit bestimmt sind.·
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Warum werden keine Zuschüsse für den Aufbau kleinster hauptamtlicher
Strukturen für Selbsthilfeverbände gezahlt? Man könnte auf die
Idee kommen, dass man Antragsverfahren verkompliziert und hauptamtliche
Unterstützung der ehrenamtlichen Selbsthilfe verhindern will,
damit möglichst wenig Förderanträge gestellt werden.
Insgesamt haben wir den Eindruck, dass den Autoren des Entwurfes
der "Gemeinsamen Empfehlung..." nicht klar ist, dass Selbsthilfe
i.d.R. von der örtlichen Ebene bis hinauf zu den Bundesverbänden
ehrenamtlich ohne hauptamtliche Unterstützung geleistet wird. Beim
BPE z.B. wird alle Arbeit durch den siebenköpfigen geschäftsführenden
Vorstand ehrenamtlich geleistet. Die einzige Stelle, die wir uns
mit Ach und Krach mit Unterstützung des Arbeitsamtes als SAM-Stelle
leisten können, ist die Psychopharmakaberatung für Betroffene und
auch hier wissen wir nicht, wie es weitergehen kann, wenn die Arbeitsamtsförderung
ausläuft. Mit zeitlich begrenzter Projektförderung lassen sich jedenfalls
keine kontinuierlichen Beratungsangebote von Betroffenen für Betroffene
vorhalten.
Wenn Bundesverbände der Selbsthilfe den Aufbau örtlicher Selbsthilfegruppen
nachhaltig unterstützen wollen/sollen, dann brauchen sie auch im
organisatorischen Verwaltungsbereich eine hauptamtliche Unterstützung.
Aus Mitgliedsbeiträgen können Selbsthilfeverbände wie z.B. der BPE,
der überwiegend Menschen organisiert, die von einer kleinen EU-Rente
oder von der Sozialhilfe leben, keine hauptamtlichen Strukturen
zur Unterstützung der örtlichen Selbsthilfe finanzieren.
Mit freundlichen Grüßen
gez. Ruth Fricke
Mitglied des geschäftsführenden Vorstandes des BPE
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