Wir verurteilen die Diagnose- und Behandlungsweise von Kinderpsychiater Dr. Michael Winterhoff aufs schärfste!
Es ist uns unverständlich, wie Winterhoff so lange praktizieren konnte und immer noch Einrichtungen mit ihm kooperieren. Durch die Medien wurde Winterhoff eine große Bühne geboten, auf der er seine fragwürdigen Thesen verbreiten konnte.
Es ist äußerst bedenklich, dass die Idee von “frühkindlichem Narzissmus” einen gesellschaftlichen Nerv getroffen hat und er auf diese Weise Popularität erlangen konnte.
Seine Positionen wie auch seine öffentlichkeitswirksame “Expertenmeinung” passen zur Strategie der Pharmaindustrie. Wir verfolgen mit Fassungslosigkeit, dass der Absatzmarkt von „Psychopharmaka“ auf Kinder ausgeweitet wird.
So schlimm die Vorfälle um Winterhoff auch sind, es ist uns wichtig zu betonen: Der Fall Winterhoff ist keineswegs ein Einzelfall! Das “System Winterhoff” zeigt lediglich die Spitze des Eisberges eines komplexen psychiatrischen Systems, welches sehr geschickt Entmündigung und Gewaltanwendung hinter einem Mantel der vorgegebenen medizinischen Professionalität verbirgt.

Symbiose
Es ist erschreckend, dass es überhaupt möglich ist Kindern bereits in einem Alter von drei Jahren starke „Psychopharmaka“ zu verabreichen. Das Neuroleptika schwere Nebenwirkungen haben und die Lebensspanne bei regelmäßiger Einnahme im Durchschnitt um 25 Jahre reduzieren ist spätestens seit Aderholds Publikation “Mortalität durch Neuroleptika” einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich. Trotzdem folgen auf eine kritische Publikation eine Vielzahl von Artikeln, welche das psychiatrische System als seriös und unumgänglich bewerben. Selten wird davon berichtet, dass die Einnahme von “Psychopharmaka” massive ungewünschte Wirkungen, Langzeiteffekte und Spätfolgennach sich ziehen. Es ist davon auszugehen, dass die von Herrn Winterhoff behandelten Kinder lange Zeit mit den Folgen der Behandlung zu kämpfen haben werden. Sowohl wegen der direkten Wirkungen und Nebenwirkungen der “Psychpharmaka,” als auch der Lebenszeit und -qualität, die ihnen dadurch genommen wurde. Außerdem, wie es in der ARD Doku “Warum unsere Kinder keine Tyrannen sind” von mehreren Betroffenen geschildert wurde, wegen der herabwürdigenden Herangehensweise und der sexuellen Gewalt, die von Winterhoff ausgingen. Betroffenen zu vermitteln sie seien nichts wert, sie zu entmündigen und Schulgefühle zu vermitteln ist keinesfalls nur ein Kennzeichen des “System Winterhoff.” Innerhalb des psychiatrischen Systems wird viel mit informellem Zwang gearbeitet. Schuldgefühle werden dazu genutzt die Betroffenen von fortdauernder Einnahme hoher Dosen “Psychopharmaka” zu überzeugen und so deren “Compliance*” zu stärken.
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*(Compliance= engl: “Einnahmetreue, Regelkonformität”; Krankheitseinsicht und daraus resultierende dauerhafte Einnahme von “Psychopharmaka”)


Winterhoffs Erziehungsmethoden erinnern stark an schwarze Pädagogik und die autoritäre Erziehung des Nationalsozialismus – das Kind als wertvolles Gegenüber zu betrachten und auf Gefühle, Verhalten und Bedürfnisse von Kindern einzugehen lehnt Winterhoff kategorisch ab. Seinem Weltbild nach sei dies eine “Eltern-Kind-Symbiose” und führe zu “frühkindlichem Narzissmus”.
Diese Diskriminierung von Kindern und Jugendlichen scheint gesellschaftlich akzeptiert zu sein und stereotypen Vorstellungen zu entsprechen. In Talkshows sind plakative Thesen willkommen, was sicherlich zu Winterhoffs Popularität beigetragen hat.
Kindern und Jugendliche, die in Heimen/Jugendhilfeeinrichtungen leben werden hinlänglich als “schwierig” und “störend” betrachtet. Sie werden mehr als “Täter*innen” wahrgenommen, die zurechtgewiesen und ruhiggestellt werden müssen. Tatsächlich haben diese Kinder/Jugendliche selbst bereits Traumata erlitten und/oder kommen aus einer Familiensituation, in der sie nicht länger leben können. Ihre Gefühle und Verhalten sind eine (sinnvolle/verständliche) Reaktion auf das erlebte und werden nicht eingesetzt, um andere zu “tyrannisieren”.

Der Fall Winterhoff ist nicht durch das alleinige Fehlverhalten einer einzelnen Person (Winterhoff) zu erklären. Die Einrichtungen, die mit Winterhoff zusammenarbeiteten, ermöglichten ihm erst den großflächigen Einsatz seiner Behandlungsmethoden. Verantwortlich dafür, dass nicht früher eingegriffen werden konnte sind auch Jugendämter, Heime und nicht zuletzt Gerichte. Laut Betroffenenberichten klagten Eltern erfolglos gegen die Behandlung mit Psychopharmaka.
Die Drohung Eltern das Sorgerecht zu entziehen, wenn sie sich gegen psychiatrische Behandlung nicht zustimmen, ist kein Einzelfall. Auch in den Beratungsangeboten des BPE gab es bereits mehrere Schilderungen über dieses Vorgehensmuster von Gerichten. Von Einzelfällen kann nicht die Rede sein!
In der Gesellschaft genießen Ärzt*innen nach wie vor ein hohes Ansehen und werden als Autoritätspersonen wahrgenommen. Auch die starke Hierarchie in Krankenhäusern u.ä. begünstigt die Machtposition von Ärzt*innen und erschwert es deren Behandlungsvorgaben zu widersprechen.
Wir schätzen den Einsatz der Heim-Mitarbeitenden die sich gegen das “System Winterhoff” auflehnten und für die betroffenen Kinder einsetzen.

Der Fall Winterhoff muss umgehend gründlich untersucht und aufgeklärt werden!
Damit ist es aber nicht getan:
Die gesamte Gesellschaft muss ihre Vorstellungen von Kindern, Jugendlichen und dem Hilfesystem revidieren.
Unsere Gedanken sind bei den überlebenden Kindern und Jugendlichen – wir hoffen, dass sie jetzt ein Umfeld finden, das ihre Bedürfnisse anerkennt und ihnen die Unterstützung bietet, die sie brauchen.

Für den Vorstand des BPE

von Mile Lex Franke & Felix von Kirchbach

Zur Vertiefung:

https://www1.wdr.de/daserste/monitor/sendungen/fall-winterhoff-100.html

https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/127363/Ermittlungen-gegen-umstrittenen-Bonner-Kinderpsychiater-Winterhoff

https://www.youtube.com/watch?v=qyZ9UMmPoBk

https://www.sueddeutsche.de/politik/winterhoff-kinderpsychiater-staatsanwaltschaft-1.5558312

https://bpe-online.de/mortalitaet-und-neuroleptika-alternative-wege-zur-traditionellen-psychiatrie/


https://www.madinamerica.com/2020/11/increasing-numbers-children-prescribed-multiple-psychiatric-medications